Etwas Begriffskritik aus gegebenen Anlass
Dass der 1. Mai schnell näher kommt, lässt sich nicht nur an der unfreiwillig komischen Artikelreihe zum „Linksextremismus“ in der B.Z. – Berlins größtem Schmierenblatt – erkennen.
Die diversen Gewerkschaften, Parteien und Jugendorganisationen, die sich zumindest ursprünglich mal aus der Arbeiter_innenbewegung gespeist haben, überschwämmen uns mit Aufrufen, an ihren Demos teilzunehmen.
Dabei wird immer wieder gerne vom „Tag der Arbeit“ geredet.
Dieser Ausdruck ist, ehrlich gesagt, ziemlich beschissen .
Der 1. Mai wird als Erinnerung an den Haymarket Riot 1886 in Chicago begangen, in deren Folge drei Arbeiter-Vertreter hingerichtet wurden, weil sie einen der ersten effektiven Streiks gegen schlechte Arbeitsbedingungen und miese Löhne mitorganisiert hatten. Es ist nicht der Tag, an dem „die Arbeit“ gefeiert wird. Es geht am 1. Mai darum, den Forderungen der Arbeitnehmer_innen Nachdruck zu verleihen, zu zeigen, dass der kapitalistische Normalzustand nicht hingenommen werden kann und ja, auch um an die sozialen Kämpfe der Vergangenheit zu erinnern. (Lohn-)Arbeit ist ein notwendiges Übel, kein Grund zum Feiern. Der 1. Mai ist nicht der Tag, an dem wir uns als Arbeitnehmer_innen darüber freuen wollen, dass wir unsere Haut zu Markte tragen dürfen, sondern an dem wir daran erinnern wollen, dass wenn wir schon arbeiten müssen, wir dafür wenigstens gute Löhne und dabei menschenwürdige Bedingungen haben wollen.
1933 führten die Nazis, um den mitlerweile traditionellen Maifeiertag der Arbeiter_innen-Bewegung zu überdecken, den 1. Mai als offiziellen Feiertag unter dem Namen „Tag der deutschen Arbeit“ ein. Auf einmal ging es nicht mehr um die Arbeiter_innen, sondern um die – deutsche – Arbeit. Die Arbeitnehmer_innen, die sich vorher bessere Bedingungen zu erkämpfen versucht hatten, sollten schön ins Glied der Volksgemeinschaft zurücktreten. Die angeblichen Interessen des „Volkes“, also des NS-Staates, wurden über die der Beschäftigten gestellt. Das Dritte Reich brauchte keine höheren Löhne und kürzere Arbeitszeiten, sondern Aufrüstung und Ruhe an der Heimatfront. Jetzt wurde die „nationale Arbeit“ zelebriert und die Arbeiter_innen mit warmen und heroischen Worten bedacht. Da schmerzte es nicht so sehr, dass die Nazis massive Lohnsenkungen durchsetzten. „Du bist nichts, Dein Volk ist alles“, oder wie John Heartfield es so schön auf seinem Bild der Produkte der Stahlindustrie kauenden Familie auf den Punkt brachte: „Hurra, die Butter ist alle“.
Nun ist das dutzendjährige Reich schon länger hinüber, aber es wird immer noch vom „Tag der Arbeit“ gesprochen (immerhin, das Adjektiv „deutsch“ traut sich heute keine_r mehr so wirklich davor zu setzen). Der nationale Aspekt findet sich heutzutage wieder eher auf der Gegenseite, die vor allzu großen Verbesserungen der Lage der Arbeitnehmer_innen warnen, weil sie den „Standort Deutschland“ gefährden würden.
Trotzdem, warum zum Geier wird immer noch die Arbeit abgefeiert? Und das auch noch von Gruppierungen wie den Jusos?
Ich dachte, darüber seien wir hinaus. (Lohn-)Arbeit ist als positiver Bezugspunkt zur Selbstidentifikation denkbar ungeeignet.
Also, weg mit diesem bescheuerten, LTI-belasteten Namen. Der 1. Mai ist der Kampftag der Arbeiter_innen, Maifeiertag und von mir aus, wenn es denn sein muss, auch notfalls der Tag des Hl. Josef. Aber nicht Tag der Arbeit. Der Name steht für ein reaktionäres Konzept und eine menschenverachtende Ideologie.